Freitag, 7. Dezember 2012

Review: Älterwerden

Von diesem Älterwerden habe ich ja schon viel gehört; hauptsächlich Schlechtes, wie ich gestehen muss. Alle haben Angst davor, noch mehr als vor Silikonen im Shampoo oder vor Spliss, aber im Gegensatz dazu gibt es nur eine Möglichkeit, das Altern zu umgehen, nicht wahr.

In meinem zehnten Lebensjahr habe ich festgestellt, dass ich nicht älter werden will. Mir war als Kind absolut bewusst, dass ich nie mehr so viel Freiheit haben würde. Ich bin auf dem Land aufgewachsen, in einem kleinen Ort, der zwischen mehreren großen Wäldern liegt, an einem Fluss, in dem sich hochwasserbedingt jedes Jahr neue Inseln aus Sand und Steinen bilden. Ich hatte zwei Garnituren Wäsche in Gebrauch: die "guten" Sachen für die Schule und ältere Kleidung für nachmittags. Ich bin stundenlang draußen gewesen, durch die Wälder gewandert oder auch mal im März baden gegangen, weil die Sonne so schön schien. 
Als Kind stand mir ein Königreich zu Verfügung, und ich wusste das. 

Aber dieses Produkt Älterwerden wird einem vom Leben nicht gratis zum Testen zugesandt. Wir haben wahrscheinlich alle bei der Geburt nur "Ich stimme den Nutzungsbedingungen zu" angeklickt, denn wer hat im Stress seiner eigenen Geburt schon Zeit, das Kleingedruckte zu lesen?

Erwartungen
Ich hatte erwartet, dass es mir furchtbar schwer fallen würde, bestimmte Veränderungen meiner physischen Erscheinung hinzunehmen. Ich erwartete Falten über Nacht und Pigmentflecken überall, und dass ich plötzlich zu langsam wäre für die Dinge, die ich gerne tue. Aber ich habe auch erwartet, dass ich mit Mitte 20 verheiratet wäre. Und dass ich klüger wäre und endlich alle anerkennen würden, dass ich Recht habe (denn ich habe Recht. Immer.).

Handhabung
Das ist nicht so leicht. Das Produkt Älterwerden läuft ziemlich langsam an und ist schwierig zu steuern. Mittlerweile kann ich sehr gut nachvollziehen, warum die Volljährigkeit früher mit Abschluss des 21. Lebensjahres begann. Ich befürworte die Volljährigkeit mit 18, aber die andere Version ist für mich inzwischen besser nachvollziehbar geworden. 

Fazit
Man muss sich darauf einlassen. Ich habe mit Zähnen und Klauen um meine Kindlichkeit gekämpft, ich hatte (und habe) tierisch Angst vor Verantwortung für mich selbst, ich meine, ich habe das ja noch nie gemacht. 
Aber wenn man die Zähne zusammenbeißt, klappt das schon. Ich habe gelernt, Schwierigkeiten dann anzugehen, wenn sie tatsächlich da sind - was mich natürlich nicht daran hindert, mir Sorgen zu machen, aber seit ich die ersten "Erwachsenenprobleme" wie Änderung der Steuerklasse oder Krankenkassenwechsel bewältigt habe, bin ich sicherer.

Die beste Änderung ist überraschenderweise mein Körper. 
Ich bin nicht mit ewiger Jugend gesegnet, und das sieht man auch. Ich habe kleine Fältchen, werde krank, wenn ich nicht genügend trinke und meinen Kater sieht man mir an, aber hallo. 
Ich habe kein kindlich schmales Becken mehr, und trotzdem gefällt mir mein Körper heute besser als mit 21, obwohl ich nicht dem gängigen Schönheitsideal entspreche. Ich habe auch angefangen, mich zu weigern.
Ich bin mein eigenes Schönheitsideal.
Es ist nicht so schlimm für mich, Zeichen des Älterwerdens an mir zu sehen, wie ich dachte. 
Gut, gegen das Zähnezusammenbeißen trage ich nachts eine Beißschiene, und wenn ich irgendwo gegenlaufe, dauert die Wundheilung länger als noch vor zwei Jahren, und ich habe schon mein erstes graues Haar entdeckt, aber sonst... ich spüre mich besser. Ich bin mir meiner selbst bewusster.

Und innerlich? 
Ich bin immer noch kindisch, sensibel und verliere mich oft in Gedanken, aber ich glaube nicht mehr, dass mein Schwarm aus Teenagerzeiten irgendwann erkennt, dass ich die einzig Wahre bin.
Ich bin noch immer naiv und leicht zu beeindrucken, aber ich habe gelernt zu hinterfragen und meine eigenen Maßstäbe anzulegen, was nicht heißt, dass ich ihnen gerecht werde.
Ich versuche, das Richtige zu tun, und ärgere mich regelmäßig über mich - ich wäre gern ein bissen unvernünftiger.

Das Beste am Älterwerden ist, dass man erkennt, wo die eigenen Prioritäten liegen. Was ich meiden sollte, wenn ich kann, und was mich glücklich macht; die meisten dieser Glücksdinge begleiten mich schon lange, wie ewiglange Wanderungen. Die Weihnachtslieder, die meine Oma immer mit mir gesungen hat. Aufgaben erledigen. Im Garten sein. 
Manches ist auch neu, und ich wusste nicht, dass es mir guttun würde, wie zum Beispiel Sport. (Ich bin renitent und dickköpfig, also habe ich folgerichtig genau dann mit dem Sport angefangen, als ich nicht mehr gezwungen werden konnte - nach dem Abi.)
Oder Computerspiele durchzocken mit meinem Freund, der auf Zuruf und gegen einen geringen Obolus ein Lied davon singt, wie ich mich gesträubt habe. 
Nähen, häkeln, basteln - hab ich früher gehasst.

Nachkauf?
Hab ich eine Wahl?
Es wäre gelogen, zu behaupten, ich wäre vollständig glücklich mit allem, so wie es ist. Es wäre aber auch falsch, rumzujammern, denn im Großen und Ganzen geht es mir gut, und die wichtigste Lehre, die ich aus diesem Vierteljahrhundert ziehe ist vielleicht, dass schlechte Phasen einfach dazugehören. Dann mache ich die Augen zu, atme tief durch, trinke heißes Wasser und denke an Rilke: "Wer spricht von siegen? Überstehn ist alles.", aber ich denke auch an das "Königslied": "Darfst das Leben mit Würde ertragen,/nur die Kleinlichen machen es klein".

Älterwerden klingt schlimmer, als es tatsächlich ist. Der Medienhype um mögliche Vermeidungsstrategien sollte geflissentlich ignoriert werden.

So. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt - da sind ein paar Inseln, auf denen ich noch nicht war. 

Kiki

7 Kommentare:

  1. Im Grunde halte ich selbst nicht so viel von Vorsätzen. man sollte sich das ganze Jahr über Vorsätze machen und nicht erst beim Jahreswechsel :D Aber die Dinge die ich aufgeschrieben habe sind sowieso Sachen die ich schon länger vor hatte xD
    Aaaww danke :) Ich finde es toll dass du eher auf Qualität als Quantität setzen willst :3

    Ich mag deinen Text sehr! Bin ja auch nicht mehr die Jüngste aber habe mir selbst noch nie Gedanken ums Älterwerden gemacht. Ich finde aber auch dass du noch viel zu jung bist um dir über sowas Gedanken zu machen :D <3

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  2. Ich kenne das zu gut mit dem Älter werden. Vorallem fürchte ich mich vor falten muss ich ganz ehrlich zugeben. Ich genieße es noch solange wie ich frisch und jung aussehe :D
    Freut mich übrigens das dir mein rezept gefällt :)
    Liebe Grüße

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  3. Einen interessanten Namen habt ihr eurem Blog gegeben. Das gefällt mir sehr.
    Ich hatte Panik davor 30 zu werden, weil das für mich so ein deutliches Zeichen war, dass man älter und älter wird. Eine deutlich ältere Freundin hat damals zu mir gesagt, dass die beste Lebensspanne überhaupt erst mit dreißig beginnt. Und was soll ich sagen, sie hatte total recht. Die Fältchen werden zwar tiefer, aber man lebt bewusster, so wie du das schon vorhersiehst. Dennoch, genieße Deine Jugend, sie ist so schön und so kostbar.
    LG
    Margit

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  4. Liebste Toffifee-Süchtige,
    was ein schöner Beitrag! Ganz besonders gut gefällt mir 'das Beste am Älterwerden'. Denn das ist so ein enorm großer guter Punkt, dass er sowas wie Schwerkraft, Falten und längere Wundheilung durchaus überschattet ;)
    Was ich vom bisherigen Stand her vermisse: die Leichtigkeit und Unbeschwertheit aus der Kindheit und den Körper von vor der Schwangerschaft ;)
    Aber ernsthaft: Wäre es nicht eine wunderbare Kombi zu wissen, was einem gut tut und was nicht UND zusätzlich unbeschwert durchs Leben gehen zu können? Ich denke ja ;) Solltest du das Rezept dafür finden... ich nehm's.

    Sei ganz lieb aus dem Krankenlager gegrüßt

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  5. Werde morgen endlich das Tattoo fotografieren! Ich bin heute nicht dazu gekommen und dann noch die Dunkelheit -.- Irgendwie mögen es fast alle Hunde Stöcke zu zerkauen... glaube ich :D Sie ist echt süß <3 Möchte auch irgendwann unbedingt wieder Tiere haben. Aber im Moment ist das etwas schwierig :/ Ich werde bestimmt auch eine Katzen- oder Hundelady xDDD
    Uuuhh warum unterkuschelt? :O

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  6. Ach, das war nur 'ne Erkältung. Aber das reicht ja auch schon, um mal 'bääh' zu sein ;)

    Ja, schreib erst fein deine Arbeit, ich bleibe solange in Vorfreude auf den Beitrag zur Typberatung. :)

    Mir geht's leider genauso. Man weiß erst nachhinein, was gut war bzw. das es gut war. Allerdings ziehe ich das Resumee gern schon abends, wenn ich feststelle "Hey, dir ging es heute doch gut!?" Na ja, wir lernen es sicher noch, mehr im Moment zu leben. Denn das will ich unbedingt. Natürlich mit etwas Bedacht auf morgen, bzgl. Karriere, Finanzen etc. Aber ich will hauptsächlich an heute, an jetzt denken. Männer können sowas glaub ich teils ganz gut ;) Ich frag mal nach.

    Ich wünsch dir weiterhin viel Erfolg beim Schreiben!

    Sei ganz lieb gegrüßt.

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  7. Achso du bist also in einer Beziehung. Dachte jetzt du wärst Single aber ist wirklich doof wenn man so wenig Zeit hat :( Bei mir ist das finanzielle auch ein Grund weshalb ich mir erstmal kein Tier anschaffe und die Zeit natürlich auch. Ich will wenn dann auch immer für das Tier da sein können usw. das ist ja auch selbstverständlich eigentlich. Leider ist sowas vielen Leuten nicht klar oder denen ist es egal. Die wollen einfach ein Tier und denken nicht drüber nach was das heißt -.- Sowas kann ich nicht ab.
    :3 Warum lässt du dir nichts tätowieren?

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